Abschreibungen für Fotovoltaikanlagen gehen ab 2022 verloren

Betreiber kleiner Fotovoltaikanlagen bis 10 kWp konnten nach bisherigen Recht von dem Liebhaberei-Wahlrecht Gebrauch machen: Auf schriftlichen Antrag des Steuerbürgers kann danach unterstellt werden, dass die Anlage nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Folge: Es darf auf die Erstellung und Abgabe einer Einnahmen-Überschussrechnung verzichtet und Gewinne müssen nicht mehr versteuert werden. Die Billigkeitsregelung gilt für die Einkommen- und Gewerbesteuer, nicht aber für die Umsatzsteuer.

Rückwirkend zum 1. Januar 2022 greift bei der Einkommen- und Gewerbesteuer eine andere Regelung:

  • Fotovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern (einschließlich Dächern von Garagen und Carports und anderen Nebengebäuden) bis zu 30 kWp werden gesetzlich steuerfrei gestellt. Auf einen „Liebhaberei-Antrag“ kommt es nicht mehr an. Auch für Anlagen, die auf nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden (z.B. Gewerbeimmobilie, Garagenhof) installiert sind, gilt die Grenze von 30 kWp. Bei Anlagen auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Häusern liegt die Grenze bei 15 kWp pro Wohn- oder Gewerbeeinheit. Auch Fotovoltaikanlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden bis zu 15 kWp je Wohn-/Geschäftseinheit sind begünstigt.
  • Pro Steuerpflichtigem oder Mitunternehmerschaft werden insgesamt höchstens 100 kWp steuerfrei gestellt.
  • Die Steuerbefreiung gilt unabhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Fotovoltaikanlage für Einnahmen und Entnahmen, die ab dem 1.1.2022 erzielt werden (§ 3 Nr. 72 i.V.m. § 52 Abs. 4 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2022).

Die Vereinfachungsregel ab 2022 ist anders ausgestaltet als das bisherige Liebhaberei-Wahlrecht: Es wird auf die Besteuerung nämlich zwingend verzichtet und nicht nur im Rahmen eines Wahlrechts. Im Übrigen wird zwar auf die Besteuerung bei der Einkommen- und Gewerbesteuer verzichtet, die Anlagen können aber – bei Einspeisung ins Netz – trotzdem Betriebsvermögen sein.

In den meisten Fällen ist die Neuregelung ab 2022 – ebenso wie die vorherige Vereinfachung – günstig, da Anlagenbetreiber ihre Gewinne aus der Einspeisung des erzeugten Stroms nicht mehr versteuern müssen. Vor allem aber werden sie von ihrer Pflicht zur Erstellung der lästigen Einnahmen-Überschussrechnung befreit. Doch es gibt zahlreiche Fälle, in denen die Anlagenbetreiber ihre Steuer in den ersten Jahren nach der Anschaffung durch hohe Abschreibungen bzw. durch hohe Verluste senken wollten. Zuweilen ist die Steuerminderung aufgrund der Abschreibungen sogar Teil des Finanzierungskonzepts.

Gehen die Abschreibungen für Fotovoltaikanlagen , beispielsweise bei einem Erwerb im Jahre 2021, ab 2022 ersatzlos verloren?

Antwort: Ja, davon muss ausgegangen werden.

§ 3 Nr. 72 ist eine „Muss-Regelung“ und keine „Kann-Vorschrift.“ Und Steuerbefreiungen wiederum haben grundsätzlich eine Kehrseite der Medaille, nämlich den § 3c Abs. 1 EStG: Ausgaben dürfen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden! Damit sind die Ausgaben, die in – unmittelbarem – Zusammenhang mit der Fotovoltaikanlage stehen (z. B. Absetzung für Abnutzung, Sonderabschreibungen, Wartungs- und Instandhaltungskosten) steuerlich ab 2022 nicht (mehr) zu berücksichtigen.

Übrigens dürfte wohl auch ein Abzug der Wartungskosten bei den Handwerkerleistungen (§ 35a EStG) nicht in Betracht kommen. Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG kann nämlich nur in Anspruch genommen werden, soweit die Aufwendungen nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Und hier sind die Aufwendungen ja dem Grunde nach Betriebsausgaben, nur sind sie nicht abzugsfähig.

Aber ist es auch rechtens, dass die Abschreibungen für Fotovoltaikanlagen  verloren gehen?

Diese Frage wird wohl noch zu beantworten sein. Zunächst muss Folgendes festgehalten werden: Unterm Strich führt der Wegfall der Abschreibungen nicht zu einem Nachteil, denn um Verluste aus dem Betrieb der Anlage überhaupt abziehen zu können, musste bislang ein so genannter Totalüberschuss erwirtschaftet werden. Letztlich mussten also die Einnahmen die Ausgaben auf Dauer übersteigen, so dass – über einen Zeithorizont von vielleicht 20 Jahren – zumindest ein kleiner Gewinn verbleiben musste, der zu versteuern war bzw. wäre. Damit ist die Neuregelung über die gesamte Nutzungsdauer der Anlage gesehen stets vorteilhaft.

Andererseits ist der oben beschriebene Liquiditätsnachteil durch den Entfall der AfA nicht wegzudiskutieren. Und die Neuregelung ist erst im Dezember 2022 mit Rückwirkung zum 1. Januar 2022 beschlossen worden. Daher werden die Gerichte früher oder später sicherlich mit der Frage konfrontiert werden, ob diese Rückwirkung verfassungskonform ist oder ob ein Vertrauensschutz in Betracht kommt. Auch steht – anders als bei der Umsatzsteuer – noch ein Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung aus. Doch – fairerweise – muss gesagt werden, dass nicht allzu viel Hoffnung besteht, dass die Abschreibungen ab 2022 noch irgendwie „gerettet“ werden können.

Und was ist mit dem Investitionsabzugsbetrag?

Für die geplante Anschaffung einer Fotovoltaikanlage etwa in 2022 oder 2023 durfte beispielsweise in 2021 ein Investitionsabzugsbetrag (IAB) gebildet werden, und zwar in Höhe von bis zu 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Unseres Erachtens müsste der IAB eigentlich erhalten bleiben, also nicht rückgängig gemacht werden, wenn die Anlage tatsächlich angeschafft wird. Der Erhalt des IAB könnte darin begründet liegen, dass die Anlage ja später Betriebsvermögen bleibt, auch wenn die Einnahmen nicht besteuert werden.

Allerdings ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung dem folgen wird. Sie wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einen Angriffspunkt suchen, um den IAB aus 2021 doch wieder rückgängig zu machen. Letztlich werden wohl erst die Finanzgerichte entscheiden, ob ein IAB erhalten bleibt oder nicht. Dass Steuerzahler für 2021 einen bereits bestandskräftigen Bescheid in Händen halten, wird die voraussichtliche Rückgängigmachung durch die Finanzverwaltung übrigens nicht hindern, denn § 7g Abs. 3 EStG bietet dem Fiskus weitreichende Korrekturmöglichkeiten.

Fazit: So begrüßenswert die Neuregelung des § 3 Nr. 72 EStG ist, so gibt es doch zahlreiche Fälle, in denen sie zunächst nachteilig ist. Es wird mit Sicherheit zu vielen Streitfällen kommen, die wohl erst der Bundesfinanzhof klären wird.

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