Verlustfeststellung: Studienkosten für vergangene Jahre geltend machen

Derzeit ist eine schon sehr lange und sehr heftig diskutierte Rechtsfrage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig: Ob nämlich Kosten für das Erststudium oder eine Erstausbildung außerhalb eines Ausbildungsverhältnisses tatsächlich – wie es der Gesetzgeber will – nur begrenzt bis 6.000 Euro als Sonderausgaben absetzbar sind oder ob sie – wie es der Bundesfinanzhof präferiert – in vollem Umfang als Werbungskosten berücksichtigt werden müssen (Verfassungsbeschwerden 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14 u.a.).

Gar manche(r) erfährt erst jetzt von dieser Chance auf mögliche Absetzbarkeit (Verlustfeststellung) einer damaligen Studienkosten oder Kosten für eine teure Pilotenausbildung.

Was kann er oder sie nun tun?

Falls Sie für die Studienjahre bisher keine Steuererklärung abgegeben haben, können Sie dies nun nachholen und darin die Studienkosten als Werbungskosten geltend machen. Allerdings ist die Abgabe einer Steuererklärung nur möglich, solange die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Diese beträgt im Allgemeinen 4 Jahre. Also können Sie im Jahre 2016 eine Steuererklärung noch bis ins Jahr 2012 erstellen.

Nun gibt es aber auch die Möglichkeit, eine Verlustfeststellung zu beantragen. Die Finanzämter meinen, dass auch für die Verlustfeststellung eine Verjährungsfrist von nur 4 Jahren gilt.

Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass für die Verlustfestellung eine Verjährungsfrist von 7 Jahren gilt – vorausgesetzt ein Einkommensteuerbescheid ist für das Verlustentstehungsjahr nicht ergangen und kann nicht mehr erlassen werden. Auch wenn im Fall der Antragsveranlagung eine Steuererklärung nur bis zu 4 Jahre rückwirkend möglich ist, so kann doch ein Antrag auf nachträgliche Verlustfeststellung bis zu 7 Jahre rückwirkend gestellt werden.

Die Frist von 7 Jahren ergibt sich aus der Festsetzungsfrist von 4 Jahren (§ 169 AO), die spätestens erst nach dem 3. Jahr nach dem betreffenden Steuerjahr beginnt (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der Beginn nach dem dritten Jahr (sog. Anlaufhemmung) greift hier, weil für die Verlustfeststellung eine allgemeine Erklärungspflicht besteht. Also ist dies im Jahre 2015 noch rückwirkend bis ins Jahr 2008 möglich – 3 Jahre länger als bei der Steuererklärung! (BFH-Urteil vom 13.1.2015, IX R 22/14).

Praktische Bedeutung hat dieses Urteil vor allem für Bürger, die vor Jahren eine Ausbildung, z.B. ein Studium, absolviert haben. So ist es nun möglich, über den Antrag auf Verlustfeststellung und einen Einspruch gegen die Ablehnung des Finanzamtes von einer günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Studienkosten bzw. den Kosten der Erstausbildung zu profitieren.

Verjährungfristen für die Verlustfeststellung

Die Erstausbildung
fand statt im Jahre
Festsetzungsverjährung für
die Steuererklärung
(4 Jahre!)
Festsetzungsverjährung für
die Verlustfeststellung
(7 Jahre!)
2011 31.12.2015 31.12.2018
2012 31.12.2016 31.12.2019
2013 31.12.2017 31.12.2020
2014 31.12.2018 31.12.2021
2015 31.12.2019 31.12.2022
2016 31.12.2020 31.12.2023
2017 31.12.2021 31.12.2024
2018 31.12.2022 31.12.2025

I N F O

Lohnsteuer kompakt: Was tun? Für den Antrag auf Verlustfeststellung verwenden Sie das Steuerhauptformular und die „Anlage N“ und kreuzen im Hauptformular „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags“ an. Machen Sie in der Anlage N Ihre damaligen Studienkosten als Werbungskosten geltend, auch wenn Sie keine Einnahmen hatten. Das Finanzamt stellt dann die negativen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit fest und dokumentiert den Verlustvorrat in einem „Verlustfeststellungsbescheid“ zwecks Verrechnung in den Folgejahren.

Dieser negative Betrag wird im Wege des Verlustabzugs nach § 10d EStG jeweils ins nächste Jahr vorgetragen. Darauf machen Sie das Finanzamt jeweils im Folgejahr aufmerksam – und zwar im Steuerhauptformular auf Seite 4 (Zeile 92). Auf diese Weise retten Sie Ihren Verlust hinüber ins erste Berufsjahr – und bekommen dann eine schöne Steuererstattung.

 

Beispiel:
Hans Bäuerle hat im Jahre 2009 nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Piloten absolviert und dafür 70.000 Euro bezahlt. Eine Einkommensteuererklärung hatte er damals nicht abgegeben. Im Jahre 2015 erfährt er von der Möglichkeit, dass die Kosten möglicherweise in voller Höhe Werbungskosten sein können.

Eine Einkommensteuererklärung zur Geltendmachung der Ausbildungskosten kann er nicht mehr abgeben, weil die Festsetzungsverjährungsfrist von 4 Jahren abgelaufen ist. Doch einen Antrag auf Verlustfeststellung kann er stellen, weil er zum einen für das Jahr 2009 keinen Steuerbescheid erhalten hat und zum anderen die Verjährungsfrist für die Verlustfeststellung von 7 Jahren noch nicht eingetreten ist.

 

Achtung: Eile ist geboten!

Update vom 30.08.2016: Die Möglichkeit der rückwirkenden Geltendmachung der Studienkosten besteht voraussichtlich nur noch für kurze Zeit.  Bereits mit Verkündung des Steuerrechtsmodernisierungsgesetzes im Herbst 2016 muss damit gerechnet werden, dass die Möglichkeit wieder verloren geht, noch Anträge auf gesonderte Verlustfeststellung für die Jahre 2011-2013 stellen zu können. Zudem bedarf es einer so rechtzeitigen Antragstellung, dass das Finanzamt die Veranlagung noch vor dem jeweils betroffenen Jahresende durchführen kann.

 

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